Wie fit muss oder sollte ein Reiter sein?

Da gehen die Meinungen mit Sicherheit auseinander. Wenn man einen Laien fragt, wird vermutlich die Antwort kommen „du sitzt doch nur drauf“. Aber ist das wirklich so? Was müssen wir als Reiter nicht tatsächlich alles leisten? Und was sollten wir auch als „Bodenpersonal“ können?

Die körperliche Fitness liegt mir allein schon Berufswegen sehr am Herzen und ist ein vermutlich oft unterschätztes Thema. Daher möchte ich hier mal ein paar Anregungen und Gedanken zusammen fassen.

Das Pferd – ein Fluchttier:

Wer überlebt in der freien Natur? Wer findet genug Futter und wer wird gefressen? Wer ist robust genug und wer darf sich fortpflanzen?

Diese Urinstinkte stecken noch in unseren Pferden drin. Wenn ihr euch über viele Monate hinweg eine Gruppe Pferde anschaut, werdet ihr feststellen, dass die Rangfolge keine starre Hierarchie ist. Besonders auffällig wird dies, wenn ein Tier plötzlich erkrankt oder deutliche Altersschwäche zeigt, aber in der Herde bleibt. Es wird tendenziell von den anderen, gesunden Pferden ins Abseits gedrängt. Der Hintergrund liegt auf der Hand: Das lauernde Raubtier wird sich das schwächste Pferd aussuchen. Wenn dieses am Rand der Herde bleibt, kommt der Beutegreifer gar nicht erst in die Nähe der gesunden Tiere. Es ist also Ziel jedes Pflanzenfressers, sich keine Schwächen anmerken zu lassen. Das ist der Grund, warum wir soooo viel mit unseren Pferden anstellen können, bevor sie Schmerzen äußern. Leider. Eine genaue Beobachtung der Herdenstrukturen kann uns also schon frühzeitig Aufschluss darüber geben, ob unser Pferd wirklich gesund ist, denn Pferde untereinander erkennen die Schwächen und Gebrechen ihrer Artgenossen häufig viel früher als wir das tun.

Das bringt uns aber im Umkehrschluss nun wieder zur eigenen Fitness. Auch wenn wir durch unsere frontal angeordneten Augen für alle Tiere deutlich als Beutegreifer erkennbar sind, akzeptieren uns die Pferde in ihrer Gruppendynamik. Zeigen wir also Schmerz und Schwäche, wird sich unser Pferd berechtigter Weise fragen, ob wir in der Lage sind, die Herde (also meist uns zwei) zu schützen. 

Das bedeutet, je fitter wir sind, umso eher wird uns das Pferd als Beschützer und Leittier akzeptieren. Das bedeutet natürlich nicht, dass wir als super Bodybuilder keinen Pferdeverstand mehr brauchen, weil uns eh alle hinterher rennen. Doch wer sich in seinem eigenen Körper zurecht findet, sich sicher bewegt und weiß wo die eigenen Grenzen sind, wird diese auch bei der Bodenarbeit oder beim Reiten im Pferd spüren.

Was sollte ich als Pferdemensch also können?

Wichtig sind Körperspannung, Gleichgewicht, ein starker unterer Rücken und starke Beine. Sie helfen uns beim Halten des Gleichgewichts und der Rumpfspannung, sind aber auch in der Lage, gezielt loslassen zu können. Nur wer seine Beine ansteuern kann, kann ein passives Klemmen aktiv auflösen.

Ich gehe mindestens einmal pro Woche mit meinem Pferd „workouten“. Wir joggen oder gehen für eine bestimmte Zeit, dann bleibt er stehen und ich mache Übungen für Balance oder Beinkraft. ACHTUNG: Das Pferd muss sicher kontrollierbar am Führseil sein, sonst kann das schnell gefährlich werden!

Bei solchen Ausflügen stärken wir unsere Beziehung, denn er übernimmt den Wachposten, während ich mit Kniebeugen oder dem Einbeinstand beschäftigt bin. Gleichzeitig musste er dementsprechend lernen, nicht gleich die Flucht zu ergreifen, wenn ein Spaziergänger um die Ecke kommt. Es ist also eine wunderbare Übung, um das Selbstbewusstsein des Pferdes zu stärken und ihm eine Aufgabe zu geben. Dafür ist natürlich ausgeprägtes Grundlagentraining und eine feine Pferd-Mensch-Kommunikation unerlässlich!

Gemeinsames Bergsteige- oder Klettertraining ist eine weitere Möglichkeit, Fitness und Selbstvertrauen zu stärken. Sowohl Pferd als auch Mensch nutzen ihre Bein- Po- und Rückenmuskulatur. Beim Pferd ist hierbei auch der Bauch sehr aktiv, bei uns eher die Waden- und Fußmuskulatur. Tempowechsel am Berg von Rückwärts bis Galopp bringen Abwechslung und garantierten Muskelkater. Und irgendwann auch den straffen Hintern 😉